Heute Morgen im Gottesdienst
hörten wir das Gleichnis vom barmherzigen
Vater. Sie kennen das, nicht wahr? Ein Mann hatte zwei Söhne. Der Jüngere
von beiden verlangt sein Erbteil, verabschiedet sich von zu Hause und lebt in
der Fremde in Saus und Braus. Als er keinen Cent mehr hat und echt hungern
muss, geht er in sich und will zu seinem Vater zurückkehren und ihn um
Vergebung bitten. Dazu kommt er gar nicht, weil der Vater ihm entgegenläuft,
ihn umarmt und ihn wieder aufnimmt.
Wie so oft, musste ich auch
jetzt wieder an Katharina Kasper denken. Wie oft hat sie sich als barmherzige
Mutter gezeigt. Ganz spontan kommt da die Geschichte um die Sekretärin Sr.
Beata Breidenbach in den Sinn. Sie ist noch ganz jung, als Katharina sie zu
ihrer Sekretärin beruft und sie mit dem offiziellen Schriftverkehr in der
Gemeinschaft betraut. Etwa zwölf Jahre später verlässt sie heimlich das
Mutterhaus mit dem Entschluss, nicht zurückzukehren.
Was war da passiert?
Es ist die Zeit des
Kulturkampfes, in der die katholische Kirche systematisch von Bismarck
unterdrückt wird. Um das Hab und Gut des Klosters zu retten, verkauft Katharina
vieles zum Schein an ihren Bruder; wenn der Horror vorüber wäre, würde sie
alles zurückbekommen. Sr. Beata war darüber informiert, da sie ja für den
Schriftwechsel und die jährliche Schlussrechnung verantwortlich war.
Sr. Beata hatte aber auch eine
gute Beziehung zu dem jetzt nicht mehr Superior und noch Hausgeistlichen
Wittayer. Der war nicht mehr Superior, weil die Gemeinschaft inzwischen
päpstlichen Rechtes geworden war. Damit kam er nicht zurecht und fand immer
wieder Möglichkeiten, der Generaloberin Schwierigkeiten zu machen. Unter
anderem behauptete er, Katharina begünstige ihre Verwandten mit Klostereigentum
zum Schaden der Gemeinschaft.
Sr. Beata geriet zunehmend
unter Druck aufgrund ihrer inneren Nöte und konnte die Situation nicht mehr
aushalten. Heute würden wir sagen, sie hätte Wittayer ja ordentlich Paroli bieten
können. Aber dazu war sie zu jung, kannte sie Wittayer noch als Superior und
hatte entsprechend Ehrfurcht vor ihm. Also haute sie in einer
Nacht-und-Nebel-Aktion ab und wollte nicht mehr zurückkommen.
Wenn der liebe Gott seine
Hand auf einen gelegt hat, gibt es kein Entrinnen. So erging es auch Sr. Beata.
Zwei Jahre später kehrt sie zurück.
Und Katharina? Sie nimmt sie
wieder an und belässt sie auch in ihrem Amt und verhindert damit, dass sie
bloßgestellt wird. Sie stellt sich hinter ihre Sekretärin, verhindert auch
nicht ihre Wahl zur Generalrätin, ja, bis zu ihrem Tod 1894 bleibt sie Mitglied
des Generalrates und Sekretärin.
Sr. Beata lässt sich nichts
mehr zuschulden kommen. Im Gegenteil. Sie verehrt Katharina sehr. Das wird ganz
deutlich in der von ihr geführten Chronik.
Stimmt doch, oder? Wir können
Katarina vergleichen mit dem barmherzigen Vater des Gleichnisses.
STH