Der Herr ließ einer älteren Frau mitteilen, er würde
sie am nächsten Tag besuchen. Die Frau freute sich sehr und begann sofort mit
den Vorbereitungen. Sie räumte ihr Haus auf, sie putzte, sie dekorierte es und
bereitete auch das Menü vor, mit dem sie den Herrn überraschen wollte. Im Laufe
des Nachmittags kamen ein Kind, ein Obdachloser, eine hungrige Frau an ihre Tür
und baten um ihre Hilfe. Sie wies sie ab mit dem Vorwand, sie bekomme Besuch
und habe keine Zeit. Schließlich war alles bereit, aber der Herr kam nicht. Am
übernächsten Tag machte die Frau dem Herrn Vorhaltungen deswegen. Er aber
sagte: „Ich war dreimal an deiner Tür. Aber du hast mich abgewiesen, weil du
keine Zeit hattest.“
Kennen Sie diese Geschichte?
Ich musste an sie denken, als ich Jesu wiederholtes und eindringliches „Seid wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann
der Herr kommt.“ las. (Mk 13, 35)
Katharina Kasper war die
Wachsamkeit für den Menschen ein großes Anliegen. Katharina war davon
überzeugt, in jedem Menschen – besonders aber in jedem Menschen, der der Hilfe
bedarf, ob physisch oder psychisch – dem Herrn zu begegnen. Ganz aufmerksam war
sie dem Menschen gegenüber, der vor ihr stand; in diesem Augenblick war er der
wichtigste Mensch auf der ganzen Welt, denn in ihm sah sie den Herrn. An keiner
Stelle sagt sie das ausdrücklich. Aber ihre ganze Haltung dem Menschen
gegenüber macht dies deutlich. Immer geht es ihr bei den ihr anvertrauten
Menschen um Leib und Seele, die Pflege des Leibes ist für sie ein Vehikel, am Heil der Seele mitzuwirken (vgl. Brief
69), damit diese Gott zugeführt
werde. (vgl. Brief 224) Gottes- und
Nächstenliebe sind für Katharina nicht voneinander zu trennen. (vgl. Brief
11)
„Seid wachsam!“
Das ist Jesu Aufforderung an uns zu Beginn des Advent.
Advent – warum feiern wir
Advent? Worauf kommt es an im Advent?
Advent ist eine Zeit des
Wartens. – Wir warten auf den, der uns vor vielen Jahrhunderten schon verheißen
wurde.
Advent ist eine Zeit der
Sehnsucht. – Wir ersehnen die Erfüllung der Prophezeiung; wir sehnen uns nach
dem verheißenen Frieden.
Advent ist eine Zeit der
Suche und der beginnenden Erfüllung. Diese Spannung gilt es auszuhalten. – Wir
suchen was uns verheißen ist im Alltag. Wir erahnen jeden Tag neu – in vielen
kleinen Begebenheiten -, dass sich unsere Sehnsucht erfüllen kann.
Advent ist die Zeit der
beginnenden Erfüllung. Unsere Aufgabe in dieser Zeit ist es, das Kind zu
erwarten. Unsere Aufgabe ist es, nicht nur das Kind, sondern mit ihm das
Göttliche anzunehmen. Unsere Aufgabe ist es, ihm ein Zuhause zu geben in
unserem Herzen, in unserem Leben, - damit es wachsen kann, damit es uns
verwandeln kann. Damit das gelingt, müssen wir wachsam sein.
Für
Katharina Kasper ist die Adventszeit eine wichtige Zeit, eine Vorbereitungszeit.
Sie schreibt: „Es ist so wichtig, dass wir uns immer
vorbereiten auf die besonderen Feste, welche in der Kirche zu den besonderen
Zeiten des Jahres zählen“ – wie auch vor Weihnachten – „dass wir beim Anfang
daran denken, diese Zeit gut nach Gottes heiligem Willen zu verleben.“ (Band I, Brief 107)
Für Katharina ist
die Adventszeit eine heilige Zeit, eine Gnadenzeit. Das göttliche Kind will ja
zu uns kommen und in uns wachsen und uns das schenken, was uns zum Heil dient.
Eines ist sicher:
Das tut es auch, wenn wir nicht warten, wenn wir uns nicht nach ihm sehnen,
wenn wir es nicht suchen. Aber es ist wirkkräftiger, wenn wir mittun.
STH