In ihrem Buch „Ein Adler am Himmel“ (1970) beschreibt die
Tierforscherin Frances Hamerstone den ersten Flug eines Adlerjungen.
„Der
Adler war nun alleine im Nest. Jedes Mal, wenn die Eltern in die Nähe des
Nestes kamen, schrie es ärgerlich nach Nahrung. Doch sie kamen stets mit leeren
Füßen – und das Junge wurde immer dünner. Es nagte die Knochenreste ab, die
noch im Nest lagen. Es beobachtete einen Mistkäfer, pickte ihn heißhungrig auf
und verschlang ihn. Seine erste eigene Beute. Tage vergingen – und während das
Jungtier an Gewicht verlor, wurden seine Bewegungen immer schneller. Wenn der
Wind nun über das Nest blies, schwebte es ab und zu für einen Moment in der
Luft. Oft flogen die Eltern mit erbeuteten Tieren dicht am Nest vorbei, einmal
mit einem kleinen Kaninchen, einmal mit einer Ratte. Obwohl das Adlerjunge nun
fast immer hungrig war, wurde es zunehmend spielerischer. Und es war fast immer
alleine im Nest. Auch des Nachts wurde es nun nicht mehr durch die Eltern
gewärmt.
Der erste
Nachtfrost kam und der kalte Wind blies durch seine Federn und den ganzen
Körper. Wenn die Sonne wieder hervorkam, wärmte er sich an ihren Strahlen auf –
und wieder wiegte er seinen ganzen Körper im warmen Wind, nun leicht und
muskulös. Dicht am Nest flogen die Eltern vorbei – mit einem Maulwurf zwischen
den Krallen. Fast verlor das Junge sein Gleichgewicht, so sehr gierte ihn nach
der Beute. Die Eltern kamen zurück – als wollten sie ihn locken…. und leicht
wie der Wind schwebte er durch die Lüfte, zum ersten Mal in seinem Leben. Er
segelte durch das Tal, begann nach Beute zu schauen – und landete hart auf dem
Boden. Als er sich aufrappelte, ließen die Eltern den Maulwurf neben ihm
fallen. Halb stolpernd, halb fliegend stürzte sich das Jungtier auf die Beute
und fraß sich satt.”
Advent hat mit Warten zu tun. Warten verändert. Es macht
ungeduldig, vielleicht auch schon mal gereizt. Bei dem Adlerjungen kann man das
auch sehen. Aber schließlich geschieht Verwandlung …
Mir kommt
dieses Wort von Katharina Kasper in den Sinn: „Eine kurze Zeit geduldig gelitten,
tapfer gekämpft und gestritten und dafür eine solche Glückseligkeit in dem
schönen Himmel, wo wir Gott von Angesicht zu Angesicht schauen.“ (Brief 45)
Natürlich meint sie hier etwas ganz
anderes. Aber das Adlerjunge hat auch mit Ausdauer gelitten, gekämpft und
gestritten. Und dann? „…und leicht wie der Wind schwebte er durch die Lüfte … Er segelte
durch das Tal …“
„Im großen Ganzen geht es noch gut in Gott. Es kann ja
auch nie schlecht gehen, wenn wir alles als von Gott kommend betrachten und aus
Liebe zu Gott alles tragen und dulden. Für seine eigene Person muss man alles
hinnehmen, ertragen; die am meisten sich in der Geduld üben, haben es am
besten. Alles aus Liebe zu Gott, mit Gott und für Gott.“ (Brief 108)
Dieses Wort von Katharina hat
nichts mit der Adlergeschichte zu tun, wohl aber mit Advent – und Gaudete. Denn
wenn es uns gelingt, uns in der Geduld zu üben, dann haben wir allen Grund zu
jubeln und zu jauchzen.
STH