Wie steht es mit Ihrer Menschenkenntnis? Es gibt ja
Menschen, die haben überhaupt keine Menschenkenntnis, will sagen: wenn sie
einem Menschen begegnen, wissen sie überhaupt nie, woran sie mit ihm sind, können
ihn überhaupt nicht einschätzen, können sein Verhalten, seine Handlungen, seine
Worte nicht deuten und verstehen. Menschen, die keine Menschenkenntnis haben,
tun sicht echt schwer im Miteinander, reagieren oft falsch oder überzogen.
Katharina Kasper hatte eine beeindruckende Menschenkenntnis
– das wird in ihrer Biographie deutlich, das erkennt man immer wieder in ihren
Briefen. Ein Beispiel:
„Hochwürdigster Herr
Bischof,
(…) Die Barbara
Breuer kam zu mir und sagte, dass Sie gesagt hätten, es würde hier nicht gut
gehen, weil schon zu viele sich gemeldet hätten. So konnte ich ihr nur dasselbe
sagen. Weil es aber Pflicht für uns ist, jedem zu helfen und zu raten, wo wir
nur können, so fühlte ich doch ein großes Mitleid mit ihr, wenn ich mich in
ihre Lage dachte. Ich sprach nun mit ihr, um sie näher kennen zu lernen, über
ihre Verhältnisse und wie sie sich dabei befinde. So erkannte ich an ihr, dass
sie dabei sehr beunruhigt und sehr schwer ihr war, sich in den Willen Gottes zu
ergeben und noch mehr das Leben ihrer Neigung lebte. Auch schien sie mir grade
keinen echten Beruf zu haben. Nur wollte ich ihr in ihrer schweren Lage
behilflich sein, und ich sagte ihr, wir hätten viel Arbeit jetzt; wenn sie auf
eine Zeitlang zu uns kommen wollte, so wäre mir das schon recht, wenn Sie
nichts dagegen hätten. Auch sagte sie, dass sie noch Vermögen hätte und keinen
anderen Beruf hätte als zu einem klösterlichen Leben. Sie ist nun zwei Tage
hier, aber hatte keine Ruhe, weil ich ihr nicht Versicherung geben kann, für
immer hier zu bleiben. Sie hat wenig Vertrauen auf den lieben Gott. Ich habe
ihr nun gesagt, das beste sei für sie, wenn sie zu einer braven Herrschaft gehn
würde und sich noch besser prüfe, ob sie Beruf hätte, und könnte sich auch noch
einiges Vermögen ersparen, und dann könnte sie ja später noch aufgenommen
werden, wenn es der Wille Gottes ist. Und so ist sie denn jetzt beruhigt und
will es so machen.“ (Brief 2)

Ist das nicht einfach toll, wie Katharina hier reagiert und
handelt? Sie erkennt sehr schnell, dass diese Frau nichts für die Armen Dienstmägde Jesu Christi ist. Sie
erkennt aber auch ganz klar die Situation, in der sie sich befindet: Die
Barbara Breuer ist davon überzeugt, die Berufung zum klösterlichen Leben zu
haben; und außerdem hat sie Geld. Das kann ja nur von Vorteil sein, so denkt
sie. Aber Katharina bringt ihre Situation auf den Punkt: Barbara Breuer kann
nicht den Willen Gottes für ihr Leben akzeptieren und lebt eigentlich so, wie
sie leben möchte, sie kommt innerlich nicht zur Ruhe und hat kein
Gottvertrauen, das gerade in ihrer Situation so wichtig ist.
Ja, Katharina erkennt, - und doch will sie ihr helfen, wirft
ihr ihr Urteil nicht einfach an den Kopf. Ich frage mich schon, ob ich das so
genau erkannt und wie ich reagiert hätte ...
Wie die Geschichte Barbara Breuer weiter ging, wissen wir
nicht. Auf jeden Fall ist sie nicht in die Gemeinschaft eingetreten.
STH