Katharina adlergleich

Katharina adlergleich
Vergiss nicht, dass du Flügel hast ...

Samstag, 11. Januar 2014

Innere Freiheit – wie geht das?

Von Freiheit war letztes Mal die Rede, und dass Menschen, die ihr Adler-sein leben, innerlich frei sind. Katharina Kasper ist so ein Mensch. Ihre innere Freiheit äußert sich auf vielfältige Weise. Ein Beispiel will ich hier erzählen.

Kirchlich anerkannte Gemeinschaften wie die ADJC ordnen ihr Leben nach festen Regeln. Solche Strukturen räumen allen die gleichen Rechte ein und auferlegen jedem Mitglied der Gemeinschaft die gleichen Pflichten. Dadurch geben sie Halt und wirken als Entscheidungshilfe für die Leitung. Das gilt vor allem für die  Ordensausbildung.

Katharinas Richtschnur ist es, nach dem Willen Gottes zu fragen und dementsprechend zu handeln. Von daher stand die Anerkennung der Regel für sie außer Frage. In ihr sah sie einen Ausdruck des göttlichen Willens. Umso überraschender ist ihr Verhalten im Fall Schwester Willeyka, der wohl als einmalig in der Geschichte der Gemeinschaft gewertet werden muss.

Sr. Willeyka – sie stammt aus Böhmen - ist eine Novizin. Sie wird schwerkrank. Katharina schickt sie nur schweren Herzens fort. Sie mag die Novizin nicht nur, sie ist auch davon überzeugt, dass sie zum Ordensleben berufen ist. Katharina schickt sie nach Hause zurück, überzeugt davon, dass sie dort wieder gesund werden würde.



Und jetzt kommt das Ungewöhnliche! Katharina gestattet ihr, im Ordenskleid nach Böhmen zu reisen – undenkbar für eine entlassene Schwester. Katharina geht noch weiter. Da Sr. Willeyka keine Familie und kein Zuhause mehr hat, soll sie bei den Schwestern bleiben, bis sie eine Möglichkeit zu leben gefunden hat. Auch während dieser Zeit darf sie das Ordenskleid tragen, und sie darf – damals unvorstellbar, dass Nicht-Ordensfrauen das tun! – an den gemeinsamen Gebeten teilnehmen.

Jetzt fragen Sie mit Recht, warum Katharina die Schwester wegen einer Erkrankung fortgeschickt hat. Eigentlich ist das einfach zu erklären. Als die Novizin ihre Gelübde ablegen muss, ist sie wegen ihres instabilen Gesundheitszustandes den Anforderungen der Gemeinschaft, die karitativ tätig ist, nicht gewachsen. Nach ihrer Profess darf man wegen Krankheit nicht entlassen werden. Deshalb muss Katharina eine Entscheidung treffen. Erlaubt sie der Kranken, die Gelübde abzulegen, so läuft sie Gefahr, dass diese auf Dauer sich selbst und der Gemeinschaft zur Last wird. Diese Tatsache macht eine Zulassung der Schwester zu den Gelübden nahezu unmöglich, führt aber zu der geschilderten Regelung.

Die Generaloberin aber hört in dieser Situation auf ihre innere Stimme und findet einen ungewöhnlichen Ausweg.  Ihre enge Verbundenheit mit Gott macht es ihr möglich, in dieser Freiheit mit den Regeln umzugehen. Und die weitere Geschichte gibt ihr Recht. Sr. Willeyka erholt sich in der Heimat. Katharina erwirkt eine Dispens von Rom, damit sie in Böhmen – also fern vom Mutterhaus - ihre Gelübde ablegen kann. 1925 – das erlebt aber Katharina nicht mehr – wird sie Oberin der böhmischen Provinz. Die musste die Gemeinschaft auf Druck der Tschechen errichten; die Leitung mussten Schwestern tschecheslowakischer Herkunft sein, um die Vertreibung der Gemeinschaft aus dem Gebiet zu verhindern. Auf diese Weise können die ADJC  noch 20 Jahre in Böhmen wirken, bis 1945 alle Deutschen aus Böhmen ausgewiesen werden. Nach dieser Vertreibung der Schwestern kommt Sr. Willeyka nach Limburg. Hier stirbt sie 1950 im Alter von 82 Jahren.

Katharinas innere Freiheit, mit der sie sich ganz dem Willen Gottes überlassend über vorgegebene Begrenzungen hinwegsetzt, hat der Gemeinschaft eine große Frau geschenkt.

STH