Das ist ja wohl eine
Binsenweisheit. Eigentlich jeden Tag erleben wir das. Meistens ist die Aussage „Die
Zeiten ändern sich“ positiv gemeint. In der Regel sind wir froh, wie es heute
ist und sehnen die Vergangenheit nicht herbei.
Als ich in den 80ger Jahren
eingetreten bin und so manche Geschichten – Klostergeschichten – aus den 20ger,
30ger, 40ger, 50ger Jahren hörte, die durchaus Realität gewesen waren, konnte
ich nur staunen. Nicht selten bemerkte ich dann: „Bei Katharina wäre das sicher
anders gewesen“ oder „Katharina hätte sicher ganz anders gehandelt“. Seit uns
Katharina Kaspers Briefe zugänglich sind, bin ich oft bestätigt worden. Ein Beispiel
möchte ich hier aufzeigen.
Früher – also in den 20er,
30ger, 40ger, 50ger Jahren – war es so, dass eine junge Frau, die in die
Gemeinschaft eintrat, nie mehr nach Hause kam, nur zur Beerdigung der Eltern.
Letzteres ist ja ziemlich unsinnig, nicht wahr? Oft habe ich gedacht: „Ich kann
mir nicht vorstellen, dass Katharina eine solche Regel erlassen hat.“
Dass mich da mein Empfinden
nicht getäuscht hat, konnte ich dann in Katharinas Briefen lesen: Katharina
hatte Sr. Hedwig erlaubt, nach Hause zu gehen, um ihre Mutter zu pflegen. Damit
macht sie deutlich: Wenn die Schwestern dazu da sind, Kranke zu pflegen, dann
wohl doch in erster Linie auch die eigenen Angehörigen. Heute ist diese Haltung
selbstverständlich. Wir haben auch zwei Schwestern, die einmal die Mutter und
einmal den Bruder pflegen – fern von ihrem Konvent.
Katharina gab diese Erlaubnis
trotz der Gefahr, dass dies ausgenutzt werden konnte. Mit Sr. Hedwig musste sie
diese Erfahrung machen.
„Schwester Hedwig ist noch immer nicht hier und hat
geschrieben, sie habe Erlaubnis vom Mutterhaus zu bleiben und ihre Mutter zu
pflegen. Also trotzdem, dass ihre Verwandten hierher geschrieben, nachdem Schw.
Hedwig abgereist war, sie brauche nicht zu kommen, die Mutter sei besser. Nun
ist sie schon drei Wochen von hier.“
(Brief 44)
Dieses Beispiel zeigt
Katharinas große Offenheit und Weite, ihre Geduld und Nachsicht. Gerne wüsste
ich, wie Sr. Hedwigs Geschichte weiterging. Das konnte ich allerdings nicht
erfahren. Nur so viel: Sr. Hedwig machte 1867 Profess; als Katharina diesen
Brief schreibt, ist sie 33 Jahre alt. Sie stirbt 1909. Ganz sicher hat diese
Erfahrung mit ihrer Generaloberin sie positiv geprägt.
Und wir können sagen: Die
Zeiten ändern sich – immer wieder.
(STH)