Wir sind schon mittendrin in der Fastenzeit; die erste Woche
ist schon vorüber. Die Fastenvorschriften des 21. Jahrhunderts sind nicht mehr
mit denen zu vergleichen, die es zur Zeit Katharina Kaspers gab. Heute
interpretiert man das Fasten auch mit vielen anderen Dingen, auf die man
verzichten kann; es muss keine Nahrung sein. Sie kennen das sicher auch, dass
man aufs Rauchen oder auf Alkohol oder aufs Fernsehen verzichtet. Da sind den
Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt.
Katharina war zu ihrer Zeit – wie auf so vielen anderen
Gebieten auch – ihrer Zeit voraus. Ganz klar sagt sie ihren Schwestern: „Wir können ja die strengen Fasten nicht so
gut halten. Aber wir wollen uns denn um so mehr bemühen, alle Beschwerden und
Mühen innerlich und äußerlich, Leiden, Kämpfe und Versuchungen sowie alles, was
uns Leiden verursacht, gerne ertragen und entsagen.“ (Brief 209) Die
strengen Fasten können sie nicht halten, weil sie hart arbeiten müssen und
sowieso nicht üppig zu beißen haben. Katharina zeigt hier also wieder eine
adlergleiche Freiheit. Aber damit hebt sie ja das Fasten nicht auf. Sie zeigt
eine Alternative auf.
Denn – worum geht es beim Fasten? Zum einen sollen wir
ehrlich uns selbst gegenüber werden. Zum anderen sollen wir offen werden für
die Begegnung mit Gott. Durch Beschwerden und Mühen, Leiden, Kämpfe und
Versuchungen lernen wir uns selbst kennen, und – da wir meist machtlos sind und
selbst wenig in diesen Situationen vermögen – werden wir offen für Gott. Daher
ermutigt Katharina auch immer wieder dazu, das eigene Kreuz – das ja nur ein
Kreuzchen ist im Vergleich zu Jesu Kreuz – zu tragen aus Liebe und Dankbarkeit
gegen Gott. Und sie weiß: „Wenn wir uns
gewöhnen, gleich alles zu tragen und sich zu entsagen, so hilft uns Gott mit
seiner Gnade …“ (Brief 24)
Am Freitag nach Aschermittwoch wird uns deutlich gemacht,
was Gott selbst unter Fasten versteht:
„Das ist ein Fasten,
wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu
entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die
Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen,
wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht
zu entziehen.“ (Jes 58,1-9a)
Genau so hat Katharina gehandelt. Es gibt unzählige
Beispiele dafür. Viele habe ich ja auch schon an dieser Stelle aufgezeigt. Und
so können wir alle fasten. Vielleicht ist dieses Fasten sogar noch
anspruchsvoller als auf das Fleisch oder den Fernseher zu verzichten.
STH