Katharina adlergleich

Katharina adlergleich
Vergiss nicht, dass du Flügel hast ...

Samstag, 27. Oktober 2012

„Choral ist ja eigentlich nur für Männer“

Exerzitien sind geistliche Übungen. Darunter versteht man das Gebet, die Lesung der Bibel, die Meditation und was man sonst noch so zur Ehre Gottes tun kann. Man könnte auch sagen: In diesen Tagen hat man mehr Zeit für Gott.
Alle Ordensschwestern und Priester sind dazu angehalten, einmal im Jahr eine Woche Exerzitien zu machen. Ich habe das nie als eine Verpflichtung empfunden, sondern als ein Geschenk, das mir meine Gemeinschaft macht. Endlich viel Zeit haben, um mit Gott ins Gespräch zu kommen, seine Nähe zu erfahren, "in ihm zu ruhen" und "seine Gegenwart zu genießen" (Brief 67), wie Katharina Kasper sagt.

Ich war dieses Jahr in der Benediktinerabtei Maria Laach. Der Gregorianische Choral hat was. Wenn man sich darauf einlassen kann, dann gelingt es ihm wirklich, einen abzuholen, in die Stille zu führen, etwas von Gottes Herrlichkeit erfahren zu lassen. Aber ich bin ganz ehrlich: Immer wollte ich es nicht. Da gefällt mir unser Offizium, unser Breviergebet doch besser. Und ich bin sehr dankbar, dass sich Katharina Kasper damals gegen den Gregorianischen Gesang entscheidet.

Benediktinerabtei Maria Laach in der Eifel
Das tut sie nämlich. 1883 schreibt sie an den Bischof: „Erlauben Sie, Hochwürdigster Herr Bischof, dass ich Ihnen eine Frage vorlege, welche anfängt, für uns recht wichtig zu werden: `Ist es notwendig und Ihr direkter Wunsch, dass in unserer Klosterkapelle der Choralgesang strikte durchgeführt wird?´ Es ist dieses für uns Klosterfrauen nicht gut, und der Choral ja auch eigentlich nur für Männer. Ich glaube nicht, dass derselbe beiträgt, das innere Gebet in den Herzen der jungen Schwestern zu fördern, wozu ja namentlich das Noviziatsjahr ist. Unsere Novizinnen, welche jetzt im nächsten Monate ihr Noviziat beendigen, haben den lateinischen Gesang mit vieler Mühe und großer Zeitaufwendung erlernt. Jetzt gehen sie hinaus und können denselben nie verwerten. Sollen wir nun wieder aufs Neue anfangen und dieses jedes Noviziatsjahr wiederholen? Ich würde Ihnen, Hochwürdigster Herr, sehr dankbar sein, wenn Sie uns für unsere Klosterkapelle von dem lateinischen Gesange dispensierten. Wir wollen uns dann ganz genau mit den deutschen Gesängen an das Gesangbuch unserer Diözese halten und so viel wie möglich durch einen guten Gesang Gott verherrlichen. Als dann kann auch die ganze Gemeinde mitsingen, während jetzt an Festtagen die Männer und Jünglinge, wie es den Anschein hat, sich in der Kirche langweilen, weil sie nicht mitsingen können.“ (Band II, Brief 75)

Ist es nicht herrlich, wie freimütig und selbstbewusst Katharina hier dem Bischof gegenüber auftritt? Der aber hatte wohl gar nicht die Absicht, der Gemeinschaft den Gregorianischen Gesang „aufzudrücken“. Er hatte lediglich den Wunsch, dass in den Pfarrkirchen an den Hochfesten auch der lateinische Choralgesang verwendet würde. Das ist ja in vielen Gemeinden bis heute so – zumindest an dem zweiten Feiertag zu Ostern oder Weihnachten oder Pfingsten.
STH