Katharina adlergleich

Katharina adlergleich
Vergiss nicht, dass du Flügel hast ...

Samstag, 9. Juni 2018

Von Sinnen sein …


„Er ist von Sinnen“, (Mk 3, 21) – so denken Jesu Angehörige von ihm. Mich macht diese Reaktion jedes Mal sehr betroffen. Klar, ich lebe zweitausend Jahre später und habe sicher eine andere Perspektive, die von dieser langen Zeit geprägt ist. Und doch – seine Angehörigen denken so von ihm.

Jesus hat den Menschen etwas zu sagen – die Botschaft von der Liebe Gottes. Jesus hat den Menschen etwas zu geben – er schenkt Liebe und Zuwendung und vermag die Menschen dadurch zu verändern. Jesus rückt ab von der Norm seiner Zeit.  

Dass auch Katharina Kasper diese Erfahrung machen musste, habe ich schon letzte Woche gesagt.

Ich möchte noch einmal auf Sr. Willeyka zurückkommen. Sie selbst schreibt in einem Brief von ihrer letzten Begegnung mit Katharina. Dabei legt sie dar, Mutter Maria habe zuerst beabsichtigt, sie aus der Gemeinschaft zu entlassen, dann aber, offensichtlich nach einer inneren Eingebung, gesagt: „Kind, ich will nicht, dass Sie fortgehen. Sondern Sie sollen im Ordenskleid nach Türmitz reisen und einstweilen dort bleiben. Ich denke, in der heimatlichen Luft werden Sie sich wieder erholen und dann...“ An dieser Stelle, so berichtet Sr. Willeyka, habe sie die Generaloberin mit einem Ausbruch ihrer Freude unterbrochen. Gegen Ende des Gespräches habe Mutter Maria dann gesagt: „Ich möchte Ihnen noch einen Brief an Sr. Augusta mitgeben, aber es ist nicht mehr so viel Zeit. Sagen Sie ihr nur, sie möchte Sie aufnehmen, der Brief käme nach.“ 

 
Katharina selbst schrieb in diesem Brief: „Die gute und liebe Willeyka kommt also wieder zurück wegen ihrer Gesundheit. Wie sie sagt, geht es ihr augenblicklich besser, so dass Sie dieselbe in Ihrem Hause gebrauchen können. Es kann sein, dass es, wenn sie mit Handarbeit verwendet wird, besser geht. Sie ist ja ein ganz gutes Kind bis jetzt gewesen. Wenn Sie dieselbe nun gebrauchen können, so halten Sie das arme Kind natürlich, wenn sie es will. Kann ja das Ordenskleid noch tragen, solange sie bei Ihnen ist. Es tut uns allen recht leid für das arme Kind.“ (Brief 266) 

 
Ganz sicher haben manche Schwestern von Katharina gedacht: „Sie ist von Sinnen!“ Die weitere Geschichte – auch davon berichtete ich schon – beweist, wie recht sie hatte.  

Ja, Katharina Kasper ver-rückte die Normen zur Ehre Gottes, zum Heil des Menschen. Und damit steht sie ganz in der Nachfolge Jesu, der immer wieder im Denken, im Sprechen, im Handeln die Menschen verblüffte, irritierte. „Er ist von Sinnen“ – das ist eine Ausrede, wo eine klare Entscheidung gefordert ist.
STH