„Er ist von Sinnen“, (Mk 3, 21) – so denken Jesu Angehörige von ihm. Mich macht diese
Reaktion jedes Mal sehr betroffen. Klar, ich lebe zweitausend Jahre später und
habe sicher eine andere Perspektive, die von dieser langen Zeit geprägt ist.
Und doch – seine Angehörigen denken so von ihm.
Jesus hat den Menschen etwas
zu sagen – die Botschaft von der Liebe Gottes. Jesus hat den Menschen etwas zu
geben – er schenkt Liebe und Zuwendung und vermag die Menschen dadurch zu
verändern. Jesus rückt ab von der Norm seiner Zeit.
Dass auch Katharina Kasper
diese Erfahrung machen musste, habe ich schon letzte Woche gesagt.
Ich möchte noch einmal auf
Sr. Willeyka zurückkommen. Sie selbst schreibt in einem Brief von ihrer letzten
Begegnung mit Katharina. Dabei legt sie dar, Mutter Maria habe zuerst
beabsichtigt, sie aus der Gemeinschaft zu entlassen, dann aber, offensichtlich
nach einer inneren Eingebung, gesagt: „Kind, ich will nicht, dass Sie
fortgehen. Sondern Sie sollen im Ordenskleid nach Türmitz reisen und
einstweilen dort bleiben. Ich denke, in der heimatlichen Luft werden Sie sich
wieder erholen und dann...“ An dieser Stelle, so berichtet Sr. Willeyka, habe
sie die Generaloberin mit einem Ausbruch ihrer Freude unterbrochen. Gegen Ende
des Gespräches habe Mutter Maria dann gesagt: „Ich möchte Ihnen noch einen
Brief an Sr. Augusta mitgeben, aber es ist nicht mehr so viel Zeit. Sagen Sie
ihr nur, sie möchte Sie aufnehmen, der Brief käme nach.“
Katharina selbst schrieb in
diesem Brief: „Die gute und liebe
Willeyka kommt also wieder zurück wegen ihrer Gesundheit. Wie sie sagt, geht es
ihr augenblicklich besser, so dass Sie dieselbe in Ihrem Hause gebrauchen
können. Es kann sein, dass es, wenn sie mit Handarbeit verwendet wird, besser
geht. Sie ist ja ein ganz gutes Kind bis jetzt gewesen. Wenn Sie dieselbe nun
gebrauchen können, so halten Sie das arme Kind natürlich, wenn sie es will.
Kann ja das Ordenskleid noch tragen, solange sie bei Ihnen ist. Es tut uns
allen recht leid für das arme Kind.“ (Brief 266)
Ganz sicher haben manche
Schwestern von Katharina gedacht: „Sie ist von Sinnen!“ Die weitere Geschichte –
auch davon berichtete ich schon – beweist, wie recht sie hatte.
Ja, Katharina Kasper
ver-rückte die Normen zur Ehre Gottes, zum Heil des Menschen. Und damit steht
sie ganz in der Nachfolge Jesu, der immer wieder im Denken, im Sprechen, im
Handeln die Menschen verblüffte, irritierte. „Er ist von Sinnen“ – das ist eine Ausrede, wo eine klare
Entscheidung gefordert ist.
STH