Katharina adlergleich

Katharina adlergleich
Vergiss nicht, dass du Flügel hast ...

Samstag, 21. Januar 2017

Die Zeiten ändern sich


Das ist ja wohl eine Binsenweisheit. Eigentlich jeden Tag erleben wir das. Meistens ist die Aussage „Die Zeiten ändern sich“ positiv gemeint. In der Regel sind wir froh, wie es heute ist und sehnen die Vergangenheit nicht herbei. 

Als ich in den 80ger Jahren eingetreten bin und so manche Geschichten – Klostergeschichten – aus den 20ger, 30ger, 40ger, 50ger Jahren hörte, die durchaus Realität gewesen waren, konnte ich nur staunen. Nicht selten bemerkte ich dann: „Bei Katharina wäre das sicher anders gewesen“ oder „Katharina hätte sicher ganz anders gehandelt“. Seit uns Katharina Kaspers Briefe zugänglich sind, bin ich oft bestätigt worden. Ein Beispiel möchte ich hier aufzeigen. 

Früher – also in den 20er, 30ger, 40ger, 50ger Jahren – war es so, dass eine junge Frau, die in die Gemeinschaft eintrat, nie mehr nach Hause kam, nur zur Beerdigung der Eltern. Letzteres ist ja ziemlich unsinnig, nicht wahr? Oft habe ich gedacht: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Katharina eine solche Regel erlassen hat.“ 

Dass mich da mein Empfinden nicht getäuscht hat, konnte ich dann in Katharinas Briefen lesen: Katharina hatte Sr. Hedwig erlaubt, nach Hause zu gehen, um ihre Mutter zu pflegen. Damit macht sie deutlich: Wenn die Schwestern dazu da sind, Kranke zu pflegen, dann wohl doch in erster Linie auch die eigenen Angehörigen. Heute ist diese Haltung selbstverständlich. Wir haben auch zwei Schwestern, die einmal die Mutter und einmal den Bruder pflegen – fern von ihrem Konvent. 

Katharina gab diese Erlaubnis trotz der Gefahr, dass dies ausgenutzt werden konnte. Mit Sr. Hedwig musste sie diese Erfahrung machen.

„Schwester Hedwig ist noch immer nicht hier und hat geschrieben, sie habe Erlaubnis vom Mutterhaus zu bleiben und ihre Mutter zu pflegen. Also trotzdem, dass ihre Verwandten hierher geschrieben, nachdem Schw. Hedwig abgereist war, sie brauche nicht zu kommen, die Mutter sei besser. Nun ist sie schon drei Wochen von hier.“ (Brief 44) 

Dieses Beispiel zeigt Katharinas große Offenheit und Weite, ihre Geduld und Nachsicht. Gerne wüsste ich, wie Sr. Hedwigs Geschichte weiterging. Das konnte ich allerdings nicht erfahren. Nur so viel: Sr. Hedwig machte 1867 Profess; als Katharina diesen Brief schreibt, ist sie 33 Jahre alt. Sie stirbt 1909. Ganz sicher hat diese Erfahrung mit ihrer Generaloberin sie positiv geprägt. 

Und wir können sagen: Die Zeiten ändern sich – immer wieder.
(STH)