Mal
ganz ehrlich: Geraten Sie noch in Wut über das, was Jesus tut und sagt? Ich
spreche bewusst im Präsens; denn er handelt und spricht ja heute auch zu uns.
Aber – nehmen wir das überhaupt noch wahr?
Wir
haben auch heute Propheten in unserer Mitte. Sie legen die Finger in die Wunden
unserer Zeit; sie nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn Unrecht geschieht; sie
sind da, wenn sie gebraucht werden. Nehmen wir sie noch wahr?
Wir
haben auch heute Menschen in unserer Mitte, die nicht zu allem Ja und Amen
sagen, die nicht so leben und sprechen wie es alle tun – und uns damit etwas
sagen wollen. Nehmen wir sie noch wahr?
Auch
wenn wir sagen müssen, dass ihre Handlungsweise alles andere als in Ordnung
war, so müssen wir doch zugeben, dass die Bewohner von Nazaret zuhörten und
offen waren für das, was Jesus ihnen sagte. Wäre das nicht so gewesen, wären
sie nicht wütend geworden. Hören wir noch, was Jesus uns sagt?
Katharina
Kasper hört genau hin. Sie hört so genau
hin, dass sie seine Worte in ihren Briefen zitieren kann. Sie hört so genau
hin, dass sie Jesu Worte zu ihren eigenen machen kann. Es gibt ganz viele
Beispiele dafür. Hier eines davon:
„…je älter
wir werden, je mehr Mut und Vertrauen müssen wir haben, für Gott und seine
Gemeinschaft leben und wirken zu wollen. Wir wollen nicht sagen: `Wir sind
schon so alt, wir haben uns schon aufgerieben´, oder `Wir sind zu krank.´ Die Liebe ermüdet nicht (vgl. 1 Kor
13,8) und ist in und mit uns wirksam in kranken und in unsern alten Tagen; denn
so lange wir leben und den Verstand haben, können wir das Gute üben. Möge der
rechte Eifer, der von Gott kommt, uns verzehren. Der Herr ist stark in den Schwachen. (vgl. 2. Kor.12). Der gute Wille vermag viel. Sind wir
so recht in der Liebe zu Gott geeinigt und helfen uns miteinander aus und
suchen den lieben Gott, so bringen wir noch viel fertig mit Gottes Gnade.“ (Brief 95)
Katharina
ist damals 64 Jahre alt. In der damaligen Zeit ist das ein beachtliches Alter;
und wenn man bedenkt, dass sie zeitlebens kränklich ist, sind dies schon
gewichtige Worte. Und sie lebt, was sie von ihrem Herrn zitiert. Sie wird nicht
müde, die Liebe zu tun – im festen Vertrauen darauf, dass der Herr stark ist in
den Schwachen. Ja, und ihr Vertrauen wird belohnt …
Hören
wir noch, was Jesus uns sagt? Vielleicht haben wir uns so an seine Worte
gewöhnt, dass uns das Revolutionäre seiner Botschaft gar nicht mehr zu
Bewusstsein kommt. Vielleicht sind wir so besetzt von den Geräuschen, den
Stimmen, den Lehren unserer Zeit, dass wir keinen Platz mehr haben für Jesu
Worte. Wenn wir doch wenigstens noch in Wut gerieten! Aber diese
Gleichgültigkeit …
Unsere
Welt wäre eine andere, wenn sein Wort bei uns ankäme, uns entzündete wie es
Katharina entzündet hat …
STH