Katharina adlergleich

Katharina adlergleich
Vergiss nicht, dass du Flügel hast ...

Samstag, 20. September 2014

... nicht dabei stehenbleiben, - abgeben!

„Oh, diese Menschlichkeiten!“ Diesen Ausruf hat Katharina Kasper sicher nicht nur einmal getan, sondern immer wieder; denn unser Alltag ist ja nun mal geprägt von vieler dieser „Menschlichkeiten“. Und sind es nicht gerade diese Menschlichkeiten, die unser Leben so schwer machen? Wie sollen wir damit umgehen? Ich würde sagen: Geben wir sie ab, - und ich habe mich sehr gefreut, als ich einen ähnlichen Gedanken bei Katharina Kasper fand. In einem Rundbrief schreibt sie einmal:

„Wenn in einem jeden Hause der Gemeinschaft … eine jede … sich als Nachahmerin des lieben Jesus betrachtet und die kleinen Kreuze, die sich für jede ergeben, als von Gott kommend ansieht und auf sich nimmt und nicht dabei stehen bleibt und sich beschäftigt, unterhält in ihren Gedanken: sie kommen von dieser und jener Person oder den Verhältnissen, so zieht eine jede Seele großen Nutzen daraus.“ (Rundbrief vom 3.2.1886)

Sie alle kennen viele, viele Situationen, in denen Sie verletzt wurden. Oft ist es eine unbedachte Äußerung, die uns tief trifft. Es kann sogar ein Wort sein, dass gut gemeint ist, uns aber in einem Augenblick begegnet, in dem wir - aus welchen Gründen auch immer - empfindlich reagieren. Selbst eine Geste, die wir nicht verstehen oder falsch interpretieren, kann uns verunsichern oder weh tun; ganz zu schweigen von irgendwelchen Handlungen.

Im Blick auf Katharina Kaspers Aussage sollte man mal fragen: Wie würde Jesus reagieren? Er würde verzeihen, da ja das Geschehene Zeichen Gottes ist. 


 Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir: Eine Verletzung soll ich als Zeichen Gottes annehmen? Das scheint doch etwas viel verlangt. Aber warum eigentlich? Bei den schönen Dingen, die uns begegnen, ist uns ganz klar: Das ist ein Geschenk; wenn uns irgendwelche Arbeiten gelingen, danken wir, dass Gott es hat gelingen lassen. Wenn das Erfreuliche von Gott kommt, warum nicht auch das, was uns irritiert, das, was uns betroffen macht, das, was uns weh tut? Vielleicht hat Er mir diese Äußerung geschickt, damit ich darüber nachdenke, damit ich selbst mein Handeln einmal hinterfrage.

Katharina Kasper warnt davor, bei den „kleinen Kreuzen, die sich für jede ergeben“, stehenzubleiben. Wie recht sie mit dieser Warnung hat, haben wir sicher alle schon erfahren. Jede Verletzung, die wir festhalten, engt uns ein, macht uns unfrei, lässt uns bitter werden. Wenn wir selbst scheinbar nichts tun können, ist uns das noch möglich, was alle Verhärtung verhindert, was alle Wunden heilt: das Abgeben. Geben wir das, was uns schwerfällt, das, was uns wehtut, ab in Gottes barmherzige Hände. Er macht uns wieder frei, indem er heilt, was verwundet wurde.

Was sind das eigentlich für „Menschlichkeiten“, für „kleine Kreuze“, die Katharina Kasper meint? Ich denke, es sind unsere Schwächen, Begrenzungen, Behinderungen; denn sind sie es nicht, die uns zu schaffen machen und den anderen? Das vergessen wir ja sehr gerne: sooft wir uns verletzt fühlen, sooft verletzen auch wir - und meist ebenso unbewusst und unbeabsichtigt, wie wir verletzt werden.

Die kleinen Kreuze als von Gott kommend ansehen, nicht dabei stehenbleiben, sondern abgeben - ich bin sicher, Gott freut sich über diese Geschenke, denn sie sind Ausdruck eines tiefen Vertrauens. Und dieses Vertrauen beschenkt er mit seiner befreienden Liebe.
STH