„Oh,
diese Menschlichkeiten!“ Diesen Ausruf hat Katharina Kasper sicher nicht nur
einmal getan, sondern immer wieder; denn unser Alltag ist ja nun mal geprägt
von vieler dieser „Menschlichkeiten“. Und sind es nicht gerade diese
Menschlichkeiten, die unser Leben so schwer machen? Wie sollen wir damit
umgehen? Ich würde sagen: Geben wir sie ab, - und ich habe mich sehr gefreut,
als ich einen ähnlichen Gedanken bei Katharina Kasper fand. In einem Rundbrief
schreibt sie einmal:
„Wenn in einem jeden Hause der Gemeinschaft
… eine jede … sich als Nachahmerin des lieben Jesus betrachtet und die kleinen
Kreuze, die sich für jede ergeben, als von Gott kommend ansieht und auf sich
nimmt und nicht dabei stehen bleibt und sich beschäftigt, unterhält in ihren
Gedanken: sie kommen von dieser und jener Person oder den Verhältnissen, so
zieht eine jede Seele großen Nutzen daraus.“ (Rundbrief vom 3.2.1886)
Sie
alle kennen viele, viele Situationen, in denen Sie verletzt wurden. Oft ist es
eine unbedachte Äußerung, die uns tief trifft. Es kann sogar ein Wort sein,
dass gut gemeint ist, uns aber in einem Augenblick begegnet, in dem wir - aus
welchen Gründen auch immer - empfindlich reagieren. Selbst eine Geste, die wir
nicht verstehen oder falsch interpretieren, kann uns verunsichern oder weh tun;
ganz zu schweigen von irgendwelchen Handlungen.
Im
Blick auf Katharina Kaspers Aussage sollte man mal fragen: Wie würde Jesus
reagieren? Er würde verzeihen, da ja das Geschehene Zeichen Gottes ist.
Katharina
Kasper warnt davor, bei den „kleinen
Kreuzen, die sich für jede ergeben“, stehenzubleiben. Wie recht sie mit
dieser Warnung hat, haben wir sicher alle schon erfahren. Jede Verletzung, die
wir festhalten, engt uns ein, macht uns unfrei, lässt uns bitter werden. Wenn
wir selbst scheinbar nichts tun können, ist uns das noch möglich, was alle
Verhärtung verhindert, was alle Wunden heilt: das Abgeben. Geben wir das, was
uns schwerfällt, das, was uns wehtut, ab in Gottes barmherzige Hände. Er macht
uns wieder frei, indem er heilt, was verwundet wurde.
Was
sind das eigentlich für „Menschlichkeiten“, für „kleine Kreuze“, die Katharina
Kasper meint? Ich denke, es sind unsere Schwächen, Begrenzungen, Behinderungen;
denn sind sie es nicht, die uns zu schaffen machen und den anderen? Das
vergessen wir ja sehr gerne: sooft wir uns verletzt fühlen, sooft verletzen
auch wir - und meist ebenso unbewusst und unbeabsichtigt, wie wir verletzt
werden.
Die
kleinen Kreuze als von Gott kommend ansehen, nicht dabei stehenbleiben, sondern
abgeben - ich bin sicher, Gott freut sich über diese Geschenke, denn sie sind
Ausdruck eines tiefen Vertrauens. Und dieses Vertrauen beschenkt er mit seiner
befreienden Liebe.
STH