Katharina adlergleich

Katharina adlergleich
Vergiss nicht, dass du Flügel hast ...

Samstag, 27. September 2014

Der „Kampf gegen Dummheiten“

Was mich an Katharina Kasper so fasziniert? Unter anderem sind es ihre Natürlichkeit und Nüchternheit, die ihr Leben geprägt haben. Sie war ein tiefgläubiger Mensch, aber da war nichts von Überschwenglichkeit oder Frömmelei. Sie stand mit beiden Beinen fest auf der Erde.

Ganz realistisch betrachtete sie sich und ihre Mitmenschen und scheute sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Ich denke, dass gerade auch die jungen Menschen, die sich ihrer Gemeinschaft anschlossen, davon beeindruckt und begeistert waren.

Katharina Kasper hatte mit der wachsenden Gemeinschaft und den immer größer werdenden Aufgaben genug zu tun. Aber sie ließ es sich bis ins hohe Alter nicht nehmen, für die Postulantinnen und Novizinnen Konferenzen zu halten. (Alle Zitate sind aus einer der Konferenzen.) Irgendjemand hatte erkannt, welchen Wert diese Stunden bei der Ehrwürdigen Mutter hatten und hatte sie mitgeschrieben. So sind sie uns erhalten geblieben - einfache, oft kernige, in ihrer Tiefe und Bedeutung große Worte einer weisen Frau, die Erfahrungen gesammelt hat mit Gott und den Menschen.

„Allein, weil wir nicht sind, wie wir sein sollen, darum haben wir Kampf mit Dummheiten.“ Das sagt sie 1894 zu den jungen Postulantinnen, die drei Tage später in Exerzitien gehen, die sie auf den Tag ihrer Einkleidung vorbereiten.

Was ist damit gemeint, mit diesem „Kampf mit Dummheiten“? - Katharina Kasper wird sehr konkret: „Wenn wir denken, eine andere hätte eine feinere Arbeit, dann regt sich unser Stolz. Oder wenn eine der anderen mehr ein freundliches Gesicht macht, gegen die andere abstoßender zu sein scheint, dann macht uns das zu kämpfen.“ Unwillkürlich fallen einem da noch viele andere Dinge ein, die uns den Alltag erschweren, die uns zu schaffen machen.

Katharina Kasper bezeichnet all das als „Kampf mit Dummheiten“. Warum? Empfindungen, Emotionen, Neigungen sind Auslöser solcher Gedanken, und wir alle wissen, wie unbeständig unsere Gefühle, wie abhängig unsere Wahrnehmung ist. Stolz, Eitelkeit, Eifersucht verbergen sich häufig hinter diesen Grübeleien. „Wo viele Menschen zusammenkommen“, so Katharina Kasper, „da sind auch die verschiedensten Charaktere beisammen; man lernt so recht das Allzu-Menschliche kennen, und man erfährt, dass wir hier noch in der streitenden Kirche leben.“ Aus ihren Worten sprechen Weisheit und Lebenserfahrung. Und sie weiß, wie wir mit diesen „Dummheiten“ umgehen können, wie wir sie bezwingen können.

(Uwe Steinbrich/ pixelio.de)
 „Alles ist groß, was man zur Ehre Gottes tut, da gibt es gar nichts Kleines.“ Es geht um meine Haltung, meine Einstellung, mit der ich die Arbeiten verrichte, die mich fordern.
„Erwarten Sie keinen irdischen Lohn. Die Welt kann uns ja doch kein wahres Glück geben ...“ Es gibt einen, der alles sieht, was ich tue, auch wenn es vielleicht von meinen Mitmenschen nicht gesehen wird. Sein „Lohn“ ist wichtiger als das flüchtige Lob.
„Wenn uns etwas nicht gut scheint, so sollen wir das erst an uns verbessern. Überhaupt Fehlerhaftes nicht so sehr an andern als an uns selbst sehen!“ Oft tadeln wir am anderen, was wir an uns selbst nicht leiden können. Oft ist das Verhalten meines Gegenübers eine Reaktion auf mein eigenes Betragen.
„Wir müssen die Eigenliebe ein wenig in den Hintergrund stellen, denn diese nimmt das beste Licht fort. Wenn man seinen menschlichen Gefühlen folgt, hindert dies die himmlische Erleuchtung.“ Selbstliebe ist wichtig. Wenn ich mich nicht selbst liebe, kann ich auch meinen Nächsten nicht lieben. Egoismus aber macht blind, auch blind für den eigenen Wert, die eigenen Fähigkeiten, die ich in Freude bejahen darf, weil sie mir geschenkt sind.

„Allein, weil wir nicht sind, wie wir sein sollen, darum haben wir Kampf mit Dummheiten.“ Dieser Kampf mit den Dummheiten des Alltags - kostet er nicht wahnsinnig viel Energie, die wir anders viel sinnvoller einsetzen könnten? Aber wie sollen wir sein? Katharina Kasper ist sich da ganz sicher: Wir sollen Menschen sein, die „Gott durch jeden Gedanken, jedes Wort, jedes Werk“ dienen.
STH


Samstag, 20. September 2014

... nicht dabei stehenbleiben, - abgeben!

„Oh, diese Menschlichkeiten!“ Diesen Ausruf hat Katharina Kasper sicher nicht nur einmal getan, sondern immer wieder; denn unser Alltag ist ja nun mal geprägt von vieler dieser „Menschlichkeiten“. Und sind es nicht gerade diese Menschlichkeiten, die unser Leben so schwer machen? Wie sollen wir damit umgehen? Ich würde sagen: Geben wir sie ab, - und ich habe mich sehr gefreut, als ich einen ähnlichen Gedanken bei Katharina Kasper fand. In einem Rundbrief schreibt sie einmal:

„Wenn in einem jeden Hause der Gemeinschaft … eine jede … sich als Nachahmerin des lieben Jesus betrachtet und die kleinen Kreuze, die sich für jede ergeben, als von Gott kommend ansieht und auf sich nimmt und nicht dabei stehen bleibt und sich beschäftigt, unterhält in ihren Gedanken: sie kommen von dieser und jener Person oder den Verhältnissen, so zieht eine jede Seele großen Nutzen daraus.“ (Rundbrief vom 3.2.1886)

Sie alle kennen viele, viele Situationen, in denen Sie verletzt wurden. Oft ist es eine unbedachte Äußerung, die uns tief trifft. Es kann sogar ein Wort sein, dass gut gemeint ist, uns aber in einem Augenblick begegnet, in dem wir - aus welchen Gründen auch immer - empfindlich reagieren. Selbst eine Geste, die wir nicht verstehen oder falsch interpretieren, kann uns verunsichern oder weh tun; ganz zu schweigen von irgendwelchen Handlungen.

Im Blick auf Katharina Kaspers Aussage sollte man mal fragen: Wie würde Jesus reagieren? Er würde verzeihen, da ja das Geschehene Zeichen Gottes ist. 


 Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir: Eine Verletzung soll ich als Zeichen Gottes annehmen? Das scheint doch etwas viel verlangt. Aber warum eigentlich? Bei den schönen Dingen, die uns begegnen, ist uns ganz klar: Das ist ein Geschenk; wenn uns irgendwelche Arbeiten gelingen, danken wir, dass Gott es hat gelingen lassen. Wenn das Erfreuliche von Gott kommt, warum nicht auch das, was uns irritiert, das, was uns betroffen macht, das, was uns weh tut? Vielleicht hat Er mir diese Äußerung geschickt, damit ich darüber nachdenke, damit ich selbst mein Handeln einmal hinterfrage.

Katharina Kasper warnt davor, bei den „kleinen Kreuzen, die sich für jede ergeben“, stehenzubleiben. Wie recht sie mit dieser Warnung hat, haben wir sicher alle schon erfahren. Jede Verletzung, die wir festhalten, engt uns ein, macht uns unfrei, lässt uns bitter werden. Wenn wir selbst scheinbar nichts tun können, ist uns das noch möglich, was alle Verhärtung verhindert, was alle Wunden heilt: das Abgeben. Geben wir das, was uns schwerfällt, das, was uns wehtut, ab in Gottes barmherzige Hände. Er macht uns wieder frei, indem er heilt, was verwundet wurde.

Was sind das eigentlich für „Menschlichkeiten“, für „kleine Kreuze“, die Katharina Kasper meint? Ich denke, es sind unsere Schwächen, Begrenzungen, Behinderungen; denn sind sie es nicht, die uns zu schaffen machen und den anderen? Das vergessen wir ja sehr gerne: sooft wir uns verletzt fühlen, sooft verletzen auch wir - und meist ebenso unbewusst und unbeabsichtigt, wie wir verletzt werden.

Die kleinen Kreuze als von Gott kommend ansehen, nicht dabei stehenbleiben, sondern abgeben - ich bin sicher, Gott freut sich über diese Geschenke, denn sie sind Ausdruck eines tiefen Vertrauens. Und dieses Vertrauen beschenkt er mit seiner befreienden Liebe.
STH



Samstag, 13. September 2014

„Unterwegs mit Katharina“

Unter diesem Titel fand die diesjährige Wallfahrt der Menschen mit Behinderung des Bistums Limburg nach Dernbach statt. Eine kleine Gruppe kam schon zwei Tage vorher, um Tage der Besinnung mit Katharina Kasper und im Kloster zu machen. Da ging es unter anderem um die Frage: „Was ist das Wichtigste an einem Kloster?“ Einige meinten: Natürlich die Klosterkirche; schließlich müssen die Schwestern beten. Andere meinten: Alles schön und gut. Aber wenn ich nicht schlafen kann, dann kann ich auch nicht beten. Also ist das Wohnhaus das Wichtigste. Herrlich, nicht wahr?

Am Donnerstag, dem eigentlichen Tag der Wallfahrt, war uns das Wetter hold. Eine Gruppe machte sich auf den Weg nach Wirges, wo Katharina mit ihren ersten Gefährtinnen ihre ersten Gelübde ablegte und das Ordenskleid empfing. Eine Gruppe machte sich auf den Weg zum Heilborn, der wichtigen Gebetsstätte Katharina Kaspers, wo sie auch den Namen für ihre Gemeinschaft empfing.

Pünktlich zum Gottesdienst waren alle Pilger aus allen Ecken des Bistums eingetrudelt. Da war eine wirklich überschäumende Freude im Gottesdienst! Sie steckte an. Es fiel gar nicht auf, dass der Gottesdienst einiges länger als gewöhnlich war. Anschließend gab es ein einfaches Mittagessen im Park. Sowohl die Behinderten als auch die Betreuer fühlten sich sichtlich wohl.


Die Pilgergruppe brachte ein neues Lied mit – wieder ein Ohrwurm, wenn man es einmal gehört hat, und so einfach!


Samstag, 6. September 2014

„Keine Kunst ist´s, alt zu werden ...“

Sie kennen diesen Spruch, nicht wahr? „Alt werden will jeder, alt sein will keiner.“ Ich brauchte lange, um den Unterschied zu verstehen. Inzwischen habe ich oft und oft erfahren, wie wahr dieses Wort ist. „Alt werden will jeder ...“ - na klar, wer möchte schon gerne „vor der Zeit“ diese schöne Welt verlassen. „ ... alt sein will keiner“ - auch klar, wem passen schon die eigenen Grenzen, die immer enger gezogen werden, die Krankheiten und Behinderungen, die das Leben plötzlich in wenig sympathischem Licht zeigen? Der alte Goethe hat wieder mal recht: „Keine Kunst ist´s, alt zu werden; es ist Kunst, es zu ertragen.“

Vor kurzem begegnete ich vor dem Mutterhaus einer unserer hochbetagten Schwestern. Sie stützte sich schwer auf ihren Stock. Sehen und Hören kann sie kaum noch. Ich ging nahe zu ihr heran, damit sie mich erkennen konnte. Während des Gespräches sagte sie: „So alt habe ich eigentlich nicht werden wollen ...“ Und ich entgegnete: „Aber Sie sind es, und dann hat es sicher auch einen Sinn.“ - „Das sage ich mir auch immer“, entgegnete sie. „Der liebe Gott will ja wohl, dass ich noch hier bin. Dann wird er auch für mich sorgen.“ Eine solche Haltung findet man selten; sie beeindruckt mich sehr.


Katharina Kasper war ihr Leben lang ein schwächlicher, kränkelnder Mensch, und sie wurde - nach damaligen Begriffen - alt. Sie wusste, wovon sie sprach, wenn sie warnte: „Wenn wir uns ... zu sehr von dem Gedanken und Gefühl leiten lassen, man sei schon alt oder zu kränklich, so ist und bleibt man schwach, alt und armselig und bringt nichts mehr fertig, wenn es noch so gering ist, was wir zu tun haben. Auch sind wir in solchen Zuständen nicht glücklich und zufrieden.“ (Brief 95)

Haben wir nicht alle schon die Erfahrung gemacht, wie unfähig wir zum Leben sind, wenn wir uns gegen eine Krankheit oder eine Begrenzung körperlicher oder seelischer Art auflehnen? Wie viel Kraft und Energie verwenden wir oft darauf, dagegen anzugehen und werden dann tatsächlich krank und schwach und armselig, unfähig, aus unserem selbst gezimmerten Käfig auszubrechen. Wenn es aber gelingt, trotz allem Schwerem Ja zu sagen zu dieser Begrenzung, sie abzugeben in Gottes Hände - er weiß ja um mich -, dann kann man es tragen, und es erscheint einem gar nicht einmal mehr so schwer, und Glück und Zufriedenheit gewinnen Raum in uns.


„ ... wenn es noch so gering ist, was wir zu tun haben“, sagt Katharina Kasper, und damit meint sie sicher: wenn es auch nicht mehr viel ist, was es zu tun gibt, wenn es auch nicht mehr so sehr an die Öffentlichkeit tritt, wie in jüngeren Jahren. Denn es gibt ja nichts, was nicht groß wäre, was man zur Ehre Gottes tut. 

„Alt werden will jeder, alt sein will keiner.“ Sind wir bei dem Wort Alter nicht zu sehr fixiert auf Schwächen, Begrenzungen, Krankheiten? Aber ist Alter nicht viel mehr als das? Da sind die Erfahrungen, da ist die Ruhe und Gelassenheit, da ist die Weisheit vieler Jahre. Da ist der gelebte Glauben, das bestätigte Vertrauen, die erlebte Liebe vieler Jahre. Und all das brauchen wir jüngeren. Und damit hat das Alter einen tiefen Sinn.

„Die Liebe ermüdet nicht und ist in und mit uns wirksam in kranken und in unsern alten Tagen; denn solange wir leben und den Verstand haben, können wir das Gute üben.“ (Brief 95)    

STH